Sterzings Frühgeschichte
Die Gegend von Sterzing war schon in prähistorischer Zeit besiedelt. Unter Drusus, 14 v. Chr., wurde in der Nähe der heutigen Stadt eine römische Mansion mit Namen Vipitenum gegründet. Im Zuge der Völkerwanderung besiedelten die Bajuwaren unser Land. Es entstanden viele neue Ortschaften, unter anderem auch Sterzing, dessen Name zum ersten Mal um 1200 aufscheint.
Die Sage erzählt, dass ein bresthafter Pilger mit Namen Störz der erste Einwohner des Ortes gewesen sei. Die Stadt führt heute noch den Pilger mit Krücke und Rosenkranz unter dem gestümmelten Tiroler Adler im Wappen. Der Pilger auf dem Wappen kann aber auch Sinnbild für die drei Hospize sein, die Sterzing besaß. Der Tiroler Adler ist Ausdruck der Tatsache, dass die Tiroler Grafen Sterzing als weltliches Bollwerk zum geistlichen Brixen sahen.
Die liberale Haltung der Bürger dieser Stadt ist bis heute sprichwörtlich.
Die neue Siedlung blühte rasch auf, da ihre Lage an der Kreuzung der Passstraßen außerordentlich günstig war. Einzelne Türme oder burgartige Gebäude längs der alten Römerstraße bildeten den Kern der neuen Stadt. Papst Innozenz IV. nennt zwar Sterzing 1252 noch "Dorf" (villa), 1295 zahlt der Ort jedoch schon Stadtsteuer und wird im landesfürstlichen Rechnungsbuch als "Civitas" geführt.
Sterzing in Mittelalter und Neuzeit
Als erster Privilegienverleiher für Handel, Schaffung von Gewerben und Straßeneinhaltung scheint Graf Meinhard II. von Tirol auf, der Sterzing zwischen 1276 und 1281 auch das Stadtrecht verliehen haben dürfte.
Sterzing wurde sehr früh der wichtigste Rastpunkt für den bereits bedeutenden Durchzugshandel von Süden nach Norden und umgekehrt. Wir finden Kaufleute aus Kempten, Augsburg und Ulm in den Rechnungsbüchern erwähnt.Segen ergoss sich über die Stadt, als in den Tälern von Pflersch und Ridnaun und am Schneeberg der Silberbergbau begann.
Schon 1423 erwarb Herzog Friedrich mit der leeren Tasche selbst Bergwerksanteile.Der Bergsegen zog viele gebildete Unternehmer in die Gegend: einheimische wie Jöchl, Tenzl, Köchl und Flamm sowie fremde wie die Fugger. Die Sterzinger Geizkofler waren sogar so reich, dass sie den Schlesienkrieg Maria Theresias zu finanzieren vermochten.
Eine goldene Zeit war für Sterzing angebrochen. Das Fuhrmannswesen und das Handwerk blühten. Die Knappen verdienten gut und gaben aus. Wohlstand und Freude förderten den Kunstsinn. Große öffentliche Bauten wie Stadtturm, Rathaus und Pfarrkirche und prunkvolle Ansitze wie Jöchlsthurn, Wildenburg und Haidenschaft entstanden.
Als der südliche Teil des historischen Stadtkerns, der in der Folge Neustadt genannt wurde, in der Mitte des 15. Jahrhunderts durch große Brände zerstört wurde, bauten ihn die Bürger in kürzester Zeit prächtiger als vorher wieder auf. Der Handel zwischen Augsburg und Venedig blühte dank der Niederlassung der Fugger in der Stadt. Die Geistesrichtungen von Nord und Süd trafen sich und verschmolzen in fruchtbarster Weise. Zur Erbauung und Belustigung der Bevölkerung ließ Vigil Raber, der Sterzinger Spielleiter, seine berühmten Passionsspiele in den Kirchen und seine Possen und Schwänke im Rathaus und auf dem Stadtplatz aufführen. Raber starb 1552 und kann als erster Theaterverleger auf deutschem Boden angesprochen werden.
Die besten Baumeister, Bildhauer und Maler wurden berufen, die Stadt und ihre Bauten zu verschönern. Meister Hans Multscher aus Ulm vollendete 1459 den herrlichen gotischen Flügelaltar der Pfarrkirche. Es entstand die geschnitzte Decke des Jöchlsthurns, ein Juwel der Spätgotik. Jörg Kölderer, der Hofbaumeister Kaiser Maximilians, schmückte das Rathaus mit dem Monumentalerker und schnitzte das bekannte Lusterweibchen für die Ratsstube.
Als die Pest ausbrach, wurde Paracelsus nach Sterzing berufen, um sie zu bekämpfen (1534).
Bald erlangte das blühende Sterzing auch große politische Bedeutung. Viermal wurden Landtage im neuen Rathaus abgehalten, einer 1502 unter dem Vorsitz Kaiser Maximilians selbst.
Dann versiegte der Silbersegen, und gegen Ende des 16. Jahrhunderts mehrten sich die Anzeichen des Verfalles.
Von Kriegsschäden blieb die Stadt im Wesentlichen durch alle Jahrhunderte verschont.
Gefährlicher als feindliche Überfälle und Besatzungen waren für die Stadt von jeher die Wassernöte. Im Frühjahr und Herbst überschwemmten die Wildbäche die Stadt, und die besten Weideflächen wurden meterhoch von Geröll und Sand verschüttet. Solche Katastrophen sind seit dem Jahre 1391 schriftlich bezeugt.
Die Eröffnung der Brennerbahn im Jahre 1867 entzog der Stadt Sterzing ihren letzten großen Verdienst aus dem Fuhrmannswesen. Die Bevölkerung stand vor der völligen Verarmung, da die geringe Landwirtschaft nicht einmal für den Eigenbedarf ausreichte. Am Ende des vorigen Jahrhunderts schritt man an die Entsumpfung des Sterzinger Mooses und schuf die Voraussetzung für eine gediegene Viehzucht und Milchwirtschaft. In diese Zeit fällt auch die Gründung des Milchhofes, dessen Produkte wegen ihrer Qualität weit über die Landesgrenzen bekannt und geschätzt sind.
Sterzing heute
Heute hat sich Sterzing dem Fremdenverkehr, dem Einzelhandel, dem Handwerk, dem Bauwesen und der Metall verarbeitenden Industrie verschrieben und ist als Bezirkshauptstadt des südlichen Wipptales zum Dienstleistungszentrum für die Umgebung geworden.
Unser größtes Kapital ist das historische Zentrum, ein Kleinod vollendet harmonischer mittelalterlicher Architektur mit seinen vielen Geschäften und gemütlichen Gasthöfen.
Insbesondere der im 15. Jahrhundert nach einer Brandkatastrophe neu gestaltete und also Neustadt genannte Stadtkern beeindruckt durch seine Großzügigkeit und seine farbig bemalten Hausfassaden: Die mit Lichthöfen, Zinnengiebeln, Fenstergittern, Marmorspitzbögen und Erkern ausgestatteten Bürgerhäuser künden vom ehemaligen Reichtum der Stadt.
Auf halber Höhe der Neustadt befindet sich das bereits erwähnte Rathaus (zwischen 1468 und 1473 erbaut), das einen der ältesten Theatersäle Tirols beherbergt, den Vigil-Raber-Saal. Im Innenhof kann eine Marmornachbildung des römischen Mithrassteines besichtigt werden, das Original ist im Archäologiemuseum in Bozen aufgestellt. Der Stein wurde 1589 in Mauls nahe Sterzing gefunden.
Gegen Norden schließt der so genannte Zwölferturm die Neustadt gegen den Stadtplatz ab. Er ist - neben dem Wappen - zum Wahrzeichen der Stadt geworden.
Am Stadtplatz befindet sich die äußerlich unauffällige Kirche zum Heiligen Geist, die älteste erhaltene Kirche Sterzings (14. Jhd.), die im Inneren schönen Freskenschmuck aufweist.
Vergleichsweise imposant ist dagegen die Pfarrkirche zu Unserer Lieben Frau im Moos, die etwas abseits am Südende der Stadt liegt. Der Chor der riesigen Hallenkirche stammt aus dem 15., das Langhaus aus dem 16. Jahrhundert. Für die gewaltigen Säulen im Inneren wurde weißer Marmor verwendet. Besonders reich geschmückt ist das von Mattheis Stöberl entworfene Südportal der Kirche mit Gedenkinschrift an die Grundsteinlegung zum Langhaus durch Maximilian I. im Jahre 1497. Die aus der Barockzeit rührenden Gewölbefresken stammen von Adam Mölk.
Neben der Pfarrkirche liegt der Gebäudekomplex der ehemaligen Deutschordenskommende, kurz Deutschhaus genannt, dessen Wurzeln bis auf das Jahr 1241 zurückgehen. Es beherbergt heute unter anderem das Stadt- und das Multschermuseum. Die Prunksäle, in denen die beiden Museen untergebracht sind, lohnen allein schon einen Besuch im Deutschhaus. Noch viel mehr gilt dies für die dort ausgestellten Altartafeln aus der Werkstatt des Ulmer
Meisters Hans Multscher. Sie zierten einst einen gotischen Flügelaltar in der nahe gelegenen Pfarrkirche, von dem nur mehr Reste erhalten geblieben sind. Die acht Bilder zeigen zum einen das Passionsgeschehen, zum anderen Szenen aus dem Leben Marias. Lohnenswert ist auch ein Besuch der kleinen Elisabethkirche im Deutschhaus. Ihre Kuppel ist mit Fresken des Augsburger Rokokomalers Matthäus Günther ausgestattet.